Sekundaria

Die Schule der 12- bis 15-jährigen

Auch bei unseren Jugendlichen gilt die Maxime, sie in die Verantwortung für sich, für andere und für die Umwelt zu führen. Doch in dieser Altersgruppe sieht dieser Weg, der die Grundlage für kompetentes Handeln ist, anders aus als im Volksschulalter. Die Bedürfnisse, die Fähigkeiten und die Möglichkeiten sind andere und die Herausforderungen müssen auf das, was Jugendliche brauchen und können, abgestimmt sein. Auch hier ist die Devise, dass die jungen Menschen große Verantwortungen brauchen und dass wir ihnen viel zutrauen können. Sie müssen erleben, dass sie es sind, die ihre Geschicke in die Hand nehmen und damit erfolgreich sind.

Erdkinderplan

Für die Altersgruppe der 12 bis 15-jährigen entwickelte Maria Montessori ein Konzept, das „Erdkinderplan“ genannt wird. Während die Selbständigkeit der jüngeren Kinder mittels Selbstkontrolle, freier Wahl der Arbeit, des Ortes und der Sozialstruktur gefördert wird, steht die Selbstverantwortung der Älteren auf anderen Beinen. Der Erdkinderplan sieht vor, dass die Jugendlichen alle Abläufe des Lebens selbständig planen und bewältigen. Zu Zeiten Montessoris sollten sie einen landwirtschaftlichen Betrieb – mit all seinen Arbeitsschritten – eigenständig führen. Heute ist diese Variante – angesichts der fortgeschrittenen Technisierung der Landwirtschaft – schwierig, aber das selbständige Führen eines Schulhauses gestaltet sich ebenso vielseitig.

Unsere Umsetzung des Erdkinderplans

Jugendliche in der Sekundaria haben Kurse in Deutsch, Mathematik, Englisch. Die sind notwendig, um sie auf den Umstieg ins öffentliche System – Oberstufe, Fachschule oder Lehre – vorzubereiten.

Zusätzlich müssen sie ihren Alltag bewältigen. Das bedeutet, sich eigenständig um ihre Umgebung zu kümmern und den Betrieb am Laufen halten: 

  • Speisepläne gestalten, Einkaufen, Kochen – inklusive aller Vorbereitungsarbeiten und dem anschließenden Saubermachen
  • Den Garten in Ordnung halten – mit allen damit verbundenen Tätigkeiten wie Unkraut jäten, Rasen mähen, Hecken schneiden,…
  • Putzen, Wäsche waschen, Geräte warten
  • Kleine Reparatur- (wo nötig mit Hilfe eines Erwachsenen) und Instandhaltungsarbeiten

Weiters Erledigung des Rechnungswesens: 

  • Bestellungen online abwickeln
  • Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in MS-Money
  • Online-Banking
  • Rechnungen überweisen
  • Budgetplanung und Budgetkontrolle inklusive Kostenrechnung

Es muss ebenso die Kommunikation nach außen bewältigt werden:

  • Mails an die Eltern
  • Zahlungserinnerungen
  • Bitten um Unterstützung, Telefondienst, Auskünfte geben

Die Kinder organisieren auch selbst ihre Ausgänge:

  • Schullandwoche
  • Ausflüge

In der Sekundaria beschäftigen sich die Kinder also nicht nur mit den notwendigen Lerninhalten, sondern sie übernehmen auch alle mit dem Alltag verbundenen Tätigkeiten. Niemand kocht für sie, niemand putzt für sie, niemand repariert, niemand hält das Haus in Stand, niemand pflegt den Garten. Daran, wie schön gepflegt trotzdem alles ist, erkennt man, dass die Kinder das wunderbar allein können!

Produzieren und Handeln im kleinen Rahmen

Unsere Kinder führen zwar keine Landwirtschaft, aber sie bemühen sich, sich zumindest ihre jährliche Schullandwoche selbst zu finanzieren. In der Vorweihnachtszeit werden Kekse gebacken und verkauft, auf Adventmärkten wird selbst produziertes Kräutersalz oder Apfelgelee angeboten.

Wozu das Ganze?

Wäre die Zeit der Jugendlichen nicht besser genutzt, wenn sie sich auf die schulischen Gegenstände konzentrieren?

Nein! Oberste Priorität in der Montessori-Pädagogik ist, Kinder in die Selbständigkeit und „Selbstwirksamkeitsüberzeugung“ zu bringen. Denn sie ist das Um und Auf eines erfolgreichen Lebens. Kinder müssen begreifen, dass es in ihrer Hand liegt, wie die Dinge laufen. Wenn das gelingt, können sie alles erreichen. Das Wissen, dass man selbst die Macht hat, sein Schicksal zu bestimmen, macht den Unterschied zwischen kompetenten und zufriedenen Menschen und solchen, die sich als machtlos erleben und nichts tun können als die äußeren Umstände beklagen.

Heute sieht man oft vier Erwachsene (Eltern und Großeltern) hinter einem Kind, die sich darin überbieten, dem Kind Anweisungen, Ratschläge, Warnungen, Anregungen zu geben. Erwachsene wollen oft alles für ihre Kinder „richten“, jede Schwierigkeit für sie lösen oder am besten schon vorab aus dem Weg räumen, damit keine Hürden und nur ja keine Frustrations-Erlebnisse oder gar Risiken entstehen. Das Problem dabei ist, dass es nicht funktioniert:

Rundum-Versorgung bringt nicht das erhoffte Glück

Spätestens in der Pubertät (meist muss man gar nicht so lange warten) beschweren sich die Jugendlichen über alles, was für sie getan wird. Sie sind nicht dankbar für all die Unterstützung, die sie bekommen, sondern unzufrieden, anspruchsvoll und leider oft auch unheimlich bequem. Auch wenn noch so gut geputzt wird, ist alles „grindig“, auch wenn noch so gut gekocht wird, ist es „eklig“,… Manchmal hat es gar den Anschein, als wären sie umso unzufriedener, je mehr ihnen zur Verfügung steht und je besser sie versorgt werden. Dann ist die Haushaltshilfe schuld, wenn es ihnen nicht sauber genug ist, die Köchin ist schuld, wenn ihnen das Essen nicht schmeckt, die Lehrerin ist schuld, wenn das Lernen nicht  funktioniert – und an allem anderen sind die Eltern schuld. So etwas wie Selbstwirksamkeit und Eigenverantwortung scheint unbekannt. Die Erwachsenen tun Kindern keinen Gefallen, wenn sie bei diesem Spiel mitspielen.

Je weniger Kinder gelernt haben, selbst mit Schwierigkeiten umzugehen, desto weniger fühlen sie sich in der Lage, Probleme zu meistern, desto abhängiger, ängstlicher und damit unzufriedener sind sie. Je weniger sie erlebt haben, dass persönlicher Einsatz zum Ziel führt, desto hilfloser fühlen sie sich. Sie glauben dann, dass andere es in der Hand haben, wie es ihnen geht. Gleichzeitig wollen sie das aber auch immer weniger hinnehmen, je älter sie werden. Dadurch nehmen oft Konflikte innerhalb der Familie zu.

„Konsumenten-Haltung“ macht unzufrieden

Wir können unsere Jugendlichen entweder in der Rolle der nicht zufrieden zu stellenden Konsumenten belassen. Damit erfahren sie, dass die Erwachsenen die Verantwortung tragen, sie zufrieden zu machen, und es ihre Rolle ist zu nehmen und zu kritisieren, und sie auch keine Möglichkeit haben, selbst aktiv zu werden.

Oder wir können ihnen die Verantwortung dafür übergeben, es besser zu machen als wir – mit dem felsenfesten Zutrauen, dass sie das können! Damit zeigen wir ihnen, dass wir ihnen vertrauen, ihnen viel zutrauen und es in ihrer Kompetenz liegt, etwas aus ihren Möglichkeiten zu machen. Damit fördern wir ihre Selbsteinschätzung, ihre Kompetenz, persönliche Prioritäten zu setzen, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. 

„Soft skills“ inklusive

Die Kinder lernen aber nicht nur, ihre praktischen Fähigkeiten zu vertiefen, sondern sie bekommen auch unheimlich viele soziale Kompetenzen mit, die ihnen im Leben immer wieder dienen werden: Wie organisieren wir uns in unserem Team, was sind die Aufgaben der Team-Leader, welchen Schwierigkeiten begegnen sie? Was bedeutet Führen und Führen lassen? In welcher Rolle fühle ich mich wohler? Wie teilen wir uns die Zeit so ein, dass sich alles ausgeht? Machen tatsächlich alle anderen weniger als ich? Welchen Standard wollen wir gemeinsam erreichen? Wie unterstützen wir einander? Wie handeln wir in Konfliktsituationen? Welche Prioritäten setzen wir uns? Was, wenn es in der Gruppe unterschiedliche gibt? Die Jugendlichen schulen ihr Verständnis für andere, ihre Kommunikations- und Teamfähigkeit, ihr Zeitmanagement, ihre Kompromissbereitschaft und vieles andere mehr.

Meistern des Alltags ist unverzichtbarer Bestandteil erfolgreichen Lebens

Die Übernahme der Arbeiten des täglichen Lebens ist alternativlos, wenn wir unseren Jugendlichen nicht die Haltung mitgeben wollen, dass andere verantwortlich für ihr Wohlergehen sind – und das obendrein nie ausreichend gut machen. Würden wir für sie kochen, würde ein Großteil meckern, wie grauslich es schmeckt. Würden wir für sie putzen, würden sie sich über jeden Fleck ekeln. Aber wenn sie selbst kochen, erfahren sie, wie viel Arbeit das macht – und sie lieben ihr Essen! Sie schätzen, was die Freunde getan haben. Wenn sie selbst putzen, erkennen sie, dass es ihre Verantwortung ist, wie sauber sie es haben. Das hat Auswirkungen auf ihre Persönlichkeit und ihre Arbeitshaltung. Kinder brauchen Einsatzbereitschaft, um ihr Leben gut zu meistern. Zurücklehnen und kritisieren ist kein Erfolgsrezept! Das müssen die Kinder hautnah erleben.

Sie lernen auch nicht lieber, wenn sie sonst nichts zu tun haben – im Gegenteil

Wenn die Kinder all das nicht zu tun hätten, würden sie sich deshalb nicht mehr Deutsch, Englisch und Mathe aneignen, sondern sie würden mehr Zeit mit „Abhängen“, „Chillen“ – und mit Kritisieren – verbringen. Das alles ist keineswegs schlecht, aber es ist keine Beschäftigung, die kompetent und zufrieden macht. Überdies ist es eine Beschäftigung, die die Erwachsenen in die Rolle der ständigen „Ermahner“ bringt, was die Beziehung zu den Kindern beeinträchtigt – und damit das Lernen auch nicht fördert.

Es funktioniert!

Die Methode, den Kindern gemeinsame Verantwortungen zu geben, ist die beste Prävention gegen Mobbing und die beste Schulung in Peer-Mediation. Selbst bei Gesprächen über politische Themen, Fragen aus der Menschheitsgeschichte oder aktuelle Probleme des Weltgeschehens, analysieren unsere Schülerinnen und Schüler, was bei ihnen ähnlich läuft, welche Beobachtungen sie bei sich selbst machen, wo welche Mechanismen greifen.

zum Weiterlesen:

Gebäude Sekundaria

Die Sekundaria der Neuen Schule befindet sich seit 2016 in einem eigenen Gebäude direkt in Eichgraben.

Umsteigen in die Regelschule

Können die Kinder in normale Regelschulen umsteigen?

Ja. Zur richtigen Zeit. Das heißt, nach acht oder neun Jahren.

 

 

Und danach?

Stimmen von AbsolventInnen

Ein Großteil unserer Schülerinnen und Schüler steigt in Oberstufenrealgymnasien oder berufsbildende Schulen um und findet sich dort hervorragend zurecht. Manche suchen eine Lehrstelle. Noch jedes Kind hat seinen Weg gemacht.