Kinder meiden lernen

Was ist, wenn ein Kind bestimmte Gebiete immer meidet?

Vermeidungsstrategien sind Kindern nicht angeboren. Kein Kind kommt mit einem Bewusstsein für Fächertrennung auf die Welt und kein Neugeborenes entscheidet, dass es seine Muttersprache nicht lernen möchte. Vermeidungsstrategien entstehen erst im späteren Leben, und leider oft durch Konkurrenzdruck, durch frühe Beurteilung oder ein Festschreiben der kindlichen Persönlichkeit auf Schwächen. Da dies bei uns nicht passiert, können Kinder meist unbelastet auf neue Bereiche zugehen, und in der Regel tun sie dies auch.

Vermeiden ist sehr selten

Da es keine klar abgegrenzten „Fächer“ gibt, ist es möglich, alle Gebiete spielerisch miteinander zu verknüpfen und so erst gar keine Hemmschwellen entstehen zu lassen. Beispielsweise ist es nicht möglich zu kochen ohne zu rechnen, ein neues Brettspiel zu verstehen ohne zu lesen, ein gemeinsames Bastelprojekt zu machen ohne Pläne zu zeichnen, Ketten zu fädeln ohne zu messen, usw. 

Es kommt daher nur selten vor, dass ein Kind gewisse Gebiete beharrlich meidet. So wie kein Kind auf die Welt kommt und beschließt, niemals gehen zu lernen, so beschließt auch kein Kind grundlos, Mathematik vermeiden.

Aber es kommt vor

Es kann aber nicht geleugnet werden, dass Vermeidungsstrategien in seltenen Fällen doch vorkommen. Es passiert, dass Kinder mit angeborenen oder früh erworbenen Teilleistungsschwächen in die Schule kommen. Und auch, wenn wir uns noch so bemühen, Vergleiche zu vermeiden, merken die Kinder, dass sie sich schwerer tun als die anderen. Dann besteht die Gefahr, dass sie ihre Defizite verbergen wollen und die für sie schwierigen Gebiete umgehen – was die Situation natürlich verschlimmert.

Legasthenie

Meist geschieht das beim Erwerb der Schriftsprache und meist betrifft es Buben. Im herkömmlichen Sprachgebrauch bezeichnet man die Schwierigkeiten als „Lese-Rechtschreibschwäche“ oder, wenn sie  angeboren ist, familiär gehäuft auftritt und schwerwiegend ist, als „Legasthenie“. Schaut man zu lange zu, besteht die Gefahr, dass das Kind immer mehr Energie in Vermeidungsstrategien investiert und immer mehr leidet. Kann es nicht lesen, kann es bei vielen Dingen nicht mitmachen, kann sich ausgegrenzt fühlen und das Gefühl bekommen, sowohl fachlich als auch sozial den Anschluss zu verlieren. 

Probleme ehrlich ansprechen

Dann ist es Sache der Pädagoginnen, das Kind bei der Überwindung der Hürde zu unterstützen. Es ist uns wichtig, mit den Kindern sehr ehrliche Gespräche zu führen: „Ich habe das Gefühl, du tust dir hier besonders schwer… Ich könnte mir vorstellen, dass es blöd für dich ist, dass deine Freunde das schon können und du nicht… Wie geht´s dir damit?“ Es ist noch nie passiert, dass ein Kind darauf antwortet, dass es ihm egal ist. Im Gegenteil – die Reaktion ist so gut wie immer Dankbarkeit und eine große Motivation, sich den Schwierigkeiten zu stellen. Wenn ein Kind merkt, dass es mit seinen Problemen gesehen, akzeptiert, nicht verurteilt und nicht allein gelassen wird, braucht es sie nicht zu verbergen und kann – mit der Begleitung von Erwachsenen – daran arbeiten. In solchen Fällen treffen wir mit den Kindern Vereinbarungen (z.B. täglich eine gewisse Zeit mit dem Schreiblehrgang zu arbeiten, täglich mit einer Betreuerin Materialarbeit zu machen,…) auf deren Einhaltung wir dann auch achten.

Manchmal ist zusätzliche Hilfe notwendig

Natürlich ist auch der Austausch mit den Eltern wichtig. Manchmal ist es unerlässlich, Experten wie LogopädInnen oder ErgotherapeutInnen zuziehen und auch zu Hause zu üben.

In vielen Fällen ist es wichtig, zuerst die Wahrnehmungsverarbeitung zu verbessern. Defizite können im optischen oder im akustischen Bereich, in der Raumlage oder in der Tiefenwahrnehmung auftreten, auch Konzentrationsstörungen können die Ursache des Problems sein. Oft muss auf einer basaleren Ebene als auf der der Schrift gearbeitet werden, mittels Hörtraining, oder Sehschule, oder Übungen zu Aufmerksamkeit und Raumwahrnehmung.

Hilft das alles nicht, muss manchmal auch ein außerschulisches, klassisches Legasthenie-Training ins Auge gefasst werden.  Das ist dann zwar kein „montessoirscher“ Ansatz, es ist wenig lustvoll und ein „Üben an den Defiziten“, aber hin und wieder doch der letzte Ausweg, wenn ein Kind es nicht und nicht schafft, sich die Schriftsprache fehlerfrei anzueignen.

zum Weiterlesen:

Fremdsprachen

Kinder haben ein angeborenes Bedürfnis zur Kommunikation. Jedes Kind will Teil der Gemeinschaft sein und mit seiner Umgebung in Kontakt treten.

Buben, Mädchen

Unterschiedliche Geschlechter haben – teils angeboren, teils umweltbedingt – unterschiedliche Bedürfnisse. Wir bemühen uns auf diese Bedürfnisse einzugehen, um einen positiven und entspannten Umgang miteinander zu gewährleisten

Religion

Unter den Familien, die bei uns an der Schule sind, gibt es eine Fülle religiöser Überzeugungen. Das ist gut so, Religion ist Privatsache. Jede Familie lebt ihre Überzeugungen zu Hause, in der Schule wird keine religiöse Richtung vorgegeben und keine Religion praktiziert.